Hergottspippelcher un Hinggelsdärm


Gerade als ich einen Apfel vom Baum holen wollte, rief meine Mutter „Owacht gen uff die Sammetvejule un die Fedderreescher“. Diese Pflanzen kannte ich schon, aber nur unter den mir geläufigen Namen Stiefmütterchen und Gartennelken. Nach diesem Ausruf wollte ich gleich mehr über das Thema Garten in Billed erfahren. Äppeltänzrisch, also ungeduldig, wartete ich auf die Erklärung der Blumen, Pflanzen und Tiere, die in einem Billeder Garten zu finden waren. Wir gingen durch den Garten und eine neue Wörterwelt tat sich vor mir auf.

Zuerst wandten wir uns dem Gemüse zu. Grumbiere hatte jeder in seinem Garten. In den Herkunftsländern der Aussiedler war die Kartoffel bereits bekannt, aber sie wurde im Banat erst angebaut als Kaiser Joseph II. Ende des 18. Jahrhunderts den Kartoffelanbau amtlich angeordnet hat. Dann wurde sie aber gleich so beliebt, dass die den Banatern den Spitznamen Grumbierschwowe einbrachte.

Eine Selbstverständlichkeit im Garten waren auch die Gelriewe oder wie man hier sagt Möhren, Karotten oder auch Gelbe Rüben. Für Suppen waren sie unverzichtbar ebenso wie das Grienzeich, also die Petersilie. Karfiol = Blumenkohl, Kehlkraut = Wirsing, Kulraawe = Kohlrabi, Umorte = Gurken, Paschkenat = Pastinaken, Zeller = Sellerie, all diese Gemüsesorten konnte man im Garten finden. Aber ich denke die wichtigsten Gemüse für eine schwowische Hausfrau waren Zwiwwle, Knowwel, Pardeis un Paprika. Man gab sich viel Mühe, dass alles wuchs und gedieh. Wenn es mal nicht so klappte, sagte man „das wachst net hinne un net voore“.

Wenn man hart geluckert hatte (vom rumän. lucratul arbeiten), wenn die Pflanzen maschtich (kräftig) waren, die Erde luck (locker) war, dann war es besonders ärgerlich, wenn es zu Hageln anfing und die Schloose, die Hagelkörner, die mühevolle Arbeit vernichteten.

Dann konnte man wieder von vorne anfangen. Die Bäume mussten gesteipt werden, das bedeutet gestützt. Das verplutzte, also das beschädigte Obst musste wieder aufgeklaubt werden.

Nachdem das ganze Ramasuri, das Durcheinander und die Unordnung (kommt vom italienischen rammasare) beseitigt war, hoffte man, dass so schnell kein Unwetter mehr kam.

Wenn dann das Obst reif war, also nicht iwwerzeitich, wurde geerntet und man hat das Obst für den Winter ingeleeht, also eingeweckt. Das Obst wurde kunstvoll in die Dunstgläser geschichtet, teilweise sogar mit einem speziellen Messer mit tiefen Rillen verziert und dann eingeweckt. Die Dunstobstgläser wurden dann auf eine extra Stellasch gestellt und waren der ganze Stolz der Billeder Hausfrauen. Man kannte in Billed Riwisle = Johannisbeeren, Agratzle = Stachelbeeren, Persche = Pfirsich, Prunjer = Pflaumen, Ringlo = Renekloden, Kitte = Quitten, Kwetsche = Zwetschgen, Äppl un Biere. Aber auch Bumrantsche waren bekannt. Dieses Wort ist wohl eine Verballhornung von Pomeranze, das wiederum kommt aus dem Italienischen pommo = Apfel und arancia = bittere Apfelsine.

Auch Kerwusse = Kürbisse wuchsen im Garten. Daraus konnte man zum Beispiel Gänselewwer machen. So nannte man einen Bratkürbis, den man im Ofen gebacken hat.

Melonen wurden auf den Feldern angebaut. Wir haben sie als Kinder in Billed immer aus der Hand gegessen. Man war eigentlich immer von oben bis unten verschmiert, aber das war ja gerade das Schöne. Man konnte sie auch aushilliche, also aushöhlen und daraus einen Puppenwagen basteln.

Jeder hatte auch Rosmarein im Garten, jedoch nicht zum Kochen, sondern für viele andere Gelegenheiten. Der Name der am Mittelmeer wild wachsenden Pflanze kam im 15. Jahrhundert nach Deutschland. Er kommt aus dem Mittellateinischen ros marinum = Meertau.

Der Rosmarin war Bestandteil vieler Bräuche, der Bräutigam trug ein Rosmarinzweiglein am Revers, die Braut hatte Rosmarin im Brautkranz. Früher wurden auch Totenkronen aus Rosmarin geflochten.

Natürlich hatte man auch an Blumen seine Freude. Wenn alles schön geblieht hat, hatte sich das Gfretten gelohnt. Das kommt vom mittelhochdeutschen Wort vreten und bedeutet sich quälen.

Im Garten oder im Hof konnten folgende Blumen blühen: Barbarablumme = Kapuzinerkresse, Botterblumme = Löwenzahn, Fedderreescher = Gartennelke, Herbschtroose = Astern, Krawellcher = Portulakröschen, Kwaake = Löwenmaul, Märzkrigelcher = Hyazinthe, Muschkatle = Geranie, Neegelcherbaam = Flieder, Oschterschellche = Narzisse, Pappelroos = Stockrose, Putschneegelcher = Bartnelke, Sammetvejule = Stiefmütterchen, Thuwacksblume = Petunie, Tulpane = Tulpen und Leander. Eher auf dem Feld wuchsen die Pipatsch = Mohnblume, das Rengelkraut = die Wegmalve, die Kwecke = Ackerunkraut, die Hinggelsdärm = Vogelmiere und das Phickgras, das ist ein Gras mit schmalen Blättern, das an der Kleidung klebte. Auch die Maulbeerbäume wuchsen am Straßenrand.

Nicht nur Pflanzen, auch Tiere und Insekten gab es im Garten. Hemmermeische sind Grillen, Kauzekepp sind die Kaulquappen, Kraake sind Krähen, Kretsche hießen die Feldhamster, Mauerwolf ist der Maulwurf, Ometze sind Ameisen, der Specht ist der Baampicker, die Schneidergääs ist eine Libelle, das Herrgottspipelcher ist der Marienkäfer und der Pumpeller ist der Schmetterling. Das kommt vom französischen Wort papillon.

So liewe Leit, jetz han ich genuch verzählt. Ich muss noch in de Gaarte a bissi arweite.<

Die Bakantsche brauche ich dazu aber nicht, das kommt aus dem ungarischen bakancs für Schnürschuh. Das sind Schuhe aus Leder, die man meist für die Feldarbeit angezogen hat. Aber blosfissich will ich auch nicht gehen. In Österreich sagt man übrigens auch bloßfüßig und nicht wie in Deutschland barfuß.

Gschwind noch et Schickseltuch uffgebunn und es kann losgehen. Das ist ein Kopftuch, das man hinten am Kopf zusammengebunden hat. Das ist eine Ableitung vom Wort Schickse, das ursprünglich ein Ausdruck für ein Christenmädchen war. Hier ist wohl eher von der Bedeutung Dienstmädchen auszugehen und sehr wahrscheinlich hatten die Schwowe in den Städten die Dienstmädchen mit nach hinten gebundenen Kopftüchern gesehen und dann den Ausdruck Schickseltuch dafür gefunden.

Oh je, jetzt muss ich mich aber beeilen, bevor mich noch der Nachtschlappe holt. Das ist eine Schreckgestalt mit der man unfolgsamen Kindern abends drohte, damit sie im Haus blieben.

In zwei Sprichwörtern der Billeder kommen auch Tiere vor, die in jedem Haus vorhanden waren. Wenn jemand sehr schnell und ununterbrochen redet sagt man, „Dem sei Maul geht wie ä Entearsch.“ Wenn jemand zu viel Luft im Bauch hat, sagt man „ De forzt wie ä Gerwehund“. So und nun liebe Landsleute würde sich über eine Erklärung eines Hefehunds sehr freuen
Eure Wortschatzsucherin.




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