Eine Reise in vergangene Tage
Billed-Besuch
Es ist Ende April, es hatte circa 30 Grad Celsius und die Sonne schien uns ins Gesicht. Wir standen in Temeswar und warteten auf unser Taxi. Die Reise ging los.
Ungefähr konnten wir erahnen, was uns erwarten wird, während wir über die marode alte Straße nach Billed fuhren. Nach circa 40 Minuten Fahrt kamen wir am Forum an. Dort wurden wir schon voller Vorfreude von Adam Csonti und seiner Frau Roswitha erwartet. Etwas überrascht wirkten sie schon über unser doch junges Alter, sofort aber wurden wir mit einem Lächeln und offenen Armen hereingebeten.
Nun standen wir also inmitten des großen, schönen Hofes des Forums, mit seinem schönen Rasen und dem großen Holzpavillon. Wir waren erst einmal überrascht, denn schon bei der Einfahrt nach Billed fielen uns die alten, teils unbewohnten Häuser auf. Man muss gestehen, wir hatten auch nur die Hauptstraße bis dato gesehen.
Adam führte uns zu Beginn unseres Tages durch das schöne, große, moderne Forum. Spieltische von damals stehen noch immer an derselben Stelle. Doch dazu später mehr.
Nach unserer kurzen Führung durch die Räumlichkeiten ging sie los, unsere Reise in vergangene Tage, unsere ganz persönliche Spurensuche. Mit den Fahrrädern fuhren wir aus dem Hof des Forums auf die Straße. Wir hörten den Klang der Hufe. Eine alte Holzkutsche passierte unseren Weg. Gemütlich ließen wir uns durch Billed führen, mussten aber immer auf die Schlaglöcher achten. Wieder passierten wir viele alte, teils verlassene Häuser. Die Straßen wie ausgestorben, aber dennoch schön auf eine ganz besondere Art und Weise. Ein Ort mit einer Seelenruhe wie man sie nur selten findet. Jeder, der den Weg kreuzt, grüßt mit einem Lächeln. Irgendwie, zufrieden.
Nun standen wir vor einem ockergelben, alten Haus. In der Altgass, mit der Hausnummer 452. Das alte Zuhause unseres Vaters, unserer Tante und unserer Großeltern. Wow! Hier liegen also unsere Wurzeln. Wir dürfen rein. Und wieder werden wir mit großer Freude und von lachenden Menschen empfangen. Sofort fängt unser Vater an zu erzählen. Wir erfahren, dass die andere Hälfte des Grundstücks, getrennt von einem Zaun, früher auch unserer Familie gehört hatte. Im Haus angekommen, schauen wir uns neugierig um. Es gibt viel zu erzählen und wir erfahren, dass sich im Großen und Ganzen nicht viel verändert hat. Von der Einrichtung mal abgesehen.
Auch wurde eine Durchgangstür zugemauert, das Zimmer hat einen eigenen Eingang bekommen und dient nun als 1-Zimmer-Apartment. Auch der Keller und der Dachboden sind unverändert und dienen zum Trocknen und Lagern von Lebensmitteln und sonstigen Gebrauchs- und Verbrauchsgütern. Wir erfahren, dass die Frau und ihre Söhne nun seit 38 Jahren im alten Haus unserer Familie wohnen. Das Tor wurde zwischenzeitlich einmal ausgetauscht, aber sonst ist alles beim Alten geblieben.
Nach einer guten Stunde verlassen wir das alte Grundstück. Das war mit Sicherheit der emotionalste Moment auf unserer Reise. Nichtsdestotrotz fuhren wir nun weiter und machten einen Abstecher auf die Felder. Nun sahen wir die alte Hanffabrik aus der Entfernung. Dort arbeiteten die Leute früher, wenn sie nicht Landwirtschaft betrieben haben. Belegt ist auch, dass Billed einer der ersten Orte war, der großflächig und kommerziell Landwirtschaft betrieben hat in Rumänien.
Auf den Feldern kam uns ein Hirte entgegen und spielte uns noch ein Hirtenlied auf seiner Flöte. Auch er strahlte uns mit einem Lächeln an. Weiter ging unsere Reise auf den Friedhof. Dort haben wir noch die Gräber der Großeltern unseres Vaters besucht. Außerdem haben wir noch das älteste Grab des Friedhofes und somit auch das erste Grab Billeds entdeckt. Es stammt aus dem späten 18. Jahrhundert.
Jetzt knurrten unsere Magen aber langsam, so eine Ortsführung macht hungrig. Roswitha hatte bereits gekocht und alles vorbereitet. Es gab traditionelle Knoblauchwurst mit Kartoffelbrei und eingelegter Paprika. Es war ein Festmahl und zudem noch sehr schmackhaft. Zum Abschluss gab es noch einen selbst gebrannten Pflaumenschnaps. Zufriedenheit. Das ist es, was hier in Billed gelebt wird.
Erinnern wir uns zurück an die alten Spieltische im Forum. Denn langsam kamen nach und nach immer mehr Männer ins Forum und zu uns in den Pavillon, um zu sehen wer da zu Gast ist. Wir erfuhren, dass sich alte Schulkameraden und Freunde unserer Großeltern zu uns gesellten. Und wir hörten eine Weile den Geschichten zu. Wie das Leben vor 50 bis 70 Jahren war und was die Flucht nach Deutschland, die sozialistische Republik und die Revolution aus dem einst wunderschönen Ort gemacht hat.
Bevor wir die alten Spieltische vergessen. Die Männer trafen sich zum Stammtisch und Kartenspielen. Adam führte uns in die ehemalige Scheune, die jetzt zu einem kleinen Museum für Banater und Billeder Geschichte liebevoll umfunktioniert wurde. Hier erfuhren wir nun alles über die Geschichte des Banats, von einer aufstrebenden und nährbodenreichen Region, über die Verschleppung in die Sowjetunion, den Baragan bis hin zur Enteignung der deutschen Bauern durch den Staat.
Nun wissen wir, warum alles so verlassen ist. Es ist kaum einer zurückgekommen, schon gar keine Jugend. Im ersten Stock des „Museums“ finden wir alte Möbel, eingerichtet wie eine Wohnung, traditionelle Kleidung, sowie altes Werkzeug. Wir können die Geschichte hautnah erleben.
Nun setzen wir gemeinsam mit Adam unsere Ortstour fort. Ein kurzer Abstecher bei Adams Bruder und dessen Frau, hier wurde die Wurst am Vortag gemacht. Nun kamen wir an einer großen Villa vorbei. Zwischen all den alten Häusern. Ein krasser Kontrast und das Ganze wirkt auch etwas ironisch. Das nächste Ziel war die alte Schule unseres Vaters. Leider konnten wir nur von außen hineinblicken. Scheinbar alles beim Alten.
Auch den zweiten, etwas kleineren Friedhof haben wir noch kurz besucht. Auch hier gab es Einblicke in die Vergangenheit. Weiter ging unsere Reise in Billeds katholische Kirche St. Michael. Auch hier bekamen wir eine ganz eigene Führung und durften sogar auf den Glockenturm und den Dachboden. Hier wird restauriert, wo es nur geht. Es folgt der Beginn der Nachmittagsmesse. Wir hören dem Chor beim Singen zu. Überrascht waren wir auch, als der Pfarrer begann, seinen Gottesdienst dreisprachig abzuhalten.
Unser Tag neigte sich langsam dem Ende zu, als wir wieder im Forum ankamen. Es gab noch ein deftiges Abendessen und ein kühles Bier für uns. Bis uns unser Fahrer abholte, als die Sonne begann unterzugehen. Auf der Rückfahrt fühlten wir es. Dieses Gefühl. Zufriedenheit.
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