Der Fond für deutsche Zwangsarbeiter wird nicht ausreichen
Anerkennung erst 60 Jahre nach dem allgemeinen Ende der Zwangsarbeit
Am 27. November 2015, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und 60 Jahre nach dem allgemeinen Ende der Zwangsarbeit der Deutschen, hat der Finanzausschuss des Deutschen Bundestages beschlossen, ehemaligen deutschen Zwangsarbeitern eine Anerkennungsleistung zu gewähren.
In dieser langen Zeit war die Anerkennung, dass es auch deutsche Zwangsarbeiter gab, außerhalb der Kreise der Vertriebenen, ein Tabu. Deutsche Zwangsarbeiter, eine deutsche Opfergruppe, die gab es nicht.
In der Zeitspanne wurden unzählige Dokumentationen verfasst, Anträge gestellt an den Bundespräsidenten, an den Bundekanzler, an den Petitionsausschuss des Bundestages. Erfolglos.
Arbeitskreis Deutsche Zwangsarbeiter (AKDZ)
Am 26. Februar 2000 haben die Landsmannschaften den Arbeitskreis Deutsche Zwangsarbeiter (AKDZ) gegründet mit dem Ziel die Deutschen Zwangsarbeiter zu erfassen und eine materielle Entschädigung oder wenigstens eine humanitäre Geste der Anerkennung dieser Opfergruppe zu erreichen.
Einen Höhepunkt der Enttäuschung musste der Arbeitskreis am 22. August 2002 erfahren, als der damalige Bundeskanzler Schröder sich weigerte eine Dokumentation der deutschen Zwangsarbeiter, mit damals 100.000 erfassten Personen, entgegen zu nehmen. Auch sonst war kein Beamter des Kanzleramtes bereit, die Dokumentation entgegen zu nehmen, schließlich blieb sie bei einem Wachmann.
Damals lebten noch etwa 500.000 ehemalige deutsche Zwangsarbeiter.
Der Arbeitskreis hat seine Erfassungsarbeit fortgesetzt und konnte bis 2009 rund 355.000 ehemalige deutsche Zwangsarbeiter erfassen (ohne die Deutschen aus Russland). Die Listen mit den Erfassten wurden dem Bundesarchiv in Bayreuth übergeben. Die Schätzungen über die Gesamtzahl der deutschen Zivilisten, die Zwangsarbeit leisten mussten, überschreiten zwei Millionen.
Eingebrachte Haushaltsvorlagen seitens der Union fanden im Bundestag keine ausreichende Mehrheit. Der Widerstand gegen eine Anerkennung deutscher Zwangsarbeiter hielt an.
So argumentierte z. B. der SPD Abgeordnete Sebastian Edathy (der später über eine Affäre stürzte) mit seiner Kollegin Marga Elsner am 21. Oktober 2004 im Deutschen Bundestag gegen eine Anerkennung deutscher Zwangsarbeiter „da das Leiden der Zwangsarbeiter doch seine Wurzeln im davor begangenen Unrecht der NS-Zeit habe, könne man diese nicht den Naziopfern gleichstellen. Deutsche konnten keine Opfer sein.
Beschluss für einen Entschädigungsfond im Herbst 2015
Erst im Herbst 2015 kam es nach einer Initiative der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag - Vortragender war der Ingolstädter Bundestagsabgeordnete Dr. Reinhard Brandl - zu dem Haushaltsbeschluss, ein Fond von 50 Millionen Euro für die Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter bereit zu stellen. Das Bundesministerium des Inneren wurde beauftragt Richtlinien für die Vergabe einer Anerkennungsleistung von je 2.500 Euro an die zum 27. November 2015 noch lebenden ehemalige deutsche Zwangsarbeiter zu erstellen.
Man ist dabei von maximal 20.000 Berechtigten ausgegangen. Mit der verwaltungsmäßigen Durchführung dieser Leistung wurde das Bundesverwaltungsamt (BVA) beauftragt. Anträge der Berechtigten können ab dem 1. August 2016 an die Arbeitsgruppe ADZ im Bundesverwaltungsamt an folgende Anschrift gestellt werden: (siehe auch Formulare und Erläuterungen auf dieser Website)
BVA - Bundesverwaltungsamt, Außenstelle Hamm
Alter Uentroper Weg 2, 59071 Hamm
Dort können auch die Antragsformulare angefordert werden und telefonische Auskünfte erfragt werden, unter der Nr. 022 899 358 9790. Die Anträge müssen bis spätestens 31. Dezember 2017 beim BVA eingehen. Berechtigt für diese Anerkennungsleistung sind Deutsche, die als Zivilisten zwischen dem 1. September 1939 und dem 1. April 1956 für eine ausländische Macht Zwangsarbeit leisten mussten. Davon sind aus unseren Reihen viele Einzelpersonen - z.B. schon im Herbst 1944 zur Zwangsarbeit Eingezogene, wie auch die drei großen Gruppen der Russlandverschleppten, der Baraganverschleppten und der zum Arbeitsdienst DGSM zwischen Januar 1950 und März 1956 eingezogenen Männer.
Zwangsarbeit als Militärdienst
Obwohl viele Landsleute doppelt oder gar dreifach von Zwangsarbeit betroffen waren - fünf Jahre in Russland, drei Jahre in rumänischen Kohlengruben und manche noch drei Jahre im Baragan - wird die Anerkennungsleistung nur einmal gewährt.
Rumänien entschädigt die in Rumänien lebenden Zwangsarbeiter der DGSM mit einer lebenslänglichen Hilfe von zur Zeit 40 Euro im Monat. Noch nicht ganz sicher ist, ob die ehemaligen DGSM Angehörige diese Anerkennungsleistung erhalten, darüber berät ein wissenschaftlicher Beirat. Seitens des BVA wird jedoch geraten, die Betroffenen sollten Anträge stellen.
Viele der zu den Arbeitsbrigaden Eingezogene - dies war kein Militärdienst sondern Zwangsarbeit - waren bisher zurückhaltend, da ihnen der Nachweis ihrer Zwangsarbeit fehlt. Mittlerweile wurde geklärt, dass die Kreiswehrämter Bestätigungen über den Arbeitsdienst der zu den Arbeitsbrigaden DGSM eingezogenen ausstellen. Die Bestätigungen können schriftlich per Post, per Internet oder über einen Bevollmächtigten beantragt werden. Der Antrag ist zu richten an:
Centrul Militar Zonal Timis, Str. Marasesti Nr. 4
RO-300080 Timisoara
Per E-Mail ist das Zentrum zu erreichen unter: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Auch telefonische wird Auskunft erteilt unter: 0040 256 204549 oder
0040 256 447201
Der Antrag muss folgendes enthalten:
Vorname, Name - Geburtsdaten, Tag, Jahr, Ort - Name des Vaters und der Mutter - letzter Wohnsitz in Rumänien -
aktueller Wohnsitz
Soweit noch bekannt Angaben zum Arbeitseinsatz, die Bitte um Ausstellung einer Bestätigung über den Arbeitseinsatz.
Die Bearbeitungszeit im Zentrum ist kurz, der Versand erfolgt über das Verteidigungsministerium in Bukarest.
Wird der Finanzausschuss des Bundestages beim Anerkennungsfond zulegen?
Bisher sind bei der Arbeitsstelle ADZ mehr als 21.000 Anträge eingegangen, es kann sein, dass davon mehrere abgewiesen werden.
In den letzten Monate sind aber jeweils 2.000 - 3.000 neue Anträge dazu gekommen, so dass die eingeplanten 50 Millionen Euro auf keinen Fall ausreichen werden.
Es bleibt nun zu hoffen, dass der Haushaltsausschuss noch in dieser Legislaturperiode den Anerkennungsfond erweitert, damit alle noch lebende, ehemalige deutsche Zwangsarbeiter diese Anerkennung erfahren.
Es wäre bitter und ungerecht, wenn manche durch eine strengere Anwendung der Anerkennungsrichtlinien oder wegen dem neuen Haushaltsplan einer neuen Regierung außen vor blieben. Es geht dabei nicht unbedingt um die Geldleistung, 2.500 Euro sind zwar eine Hilfe, sie können aber fünf oder mehr Jahre Zwangsarbeit unter Bedingungen bei denen 15-20% gestorben sind, nicht entschädigen. Daher ist die moralische Anerkennung wichtig.
Es wäre Schade, wenn eine gut gedachte Initiative am Ende zu Ungerechtigkeiten führen würde, wenn viele dieser hochbetagten Menschen enttäuscht würden.
Man sollte dabei bedenken, dass keiner der Betroffenen wegen persönlicher Vergehen zur Zwangsarbeit verurteilt war. Sie wurden durch administrative Maßnahmen einfach durch Dekrete oder Befehle ihrer Freiheit beraubt und zur Arbeit gezwungen weil sie Deutsche waren. Dies wird nicht dadurch abgemildert, dass auch Angehörige anderer Ethnien Zwangsarbeit leisten mussten.
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