Sepp Herbst - Nachruf
Liebe Familie Herbst, trauernde Gemeinde,
der Tod unseres Freundes Sepp Herbst kam nicht überraschend, in der Familie war man vorbereitet, die Zeit des Abschieds war lang. Sehr lang und schwer und doch hätte man, als die Stunde gekommen war, gerne noch einmal um einen Aufschub gebeten. Es war ein langer und schwerer Kampf den Sepp Herbst mit Zähheit gefochten hat, bis die letzte Kraft verbraucht war.
Seiner Ehefrau, dir liebe Lissi, euren Söhnen Hans und Alfred mit ihren Familien gilt unser Mitgefühl, unser Beileid, sie haben ihn bis zum Schluss liebevoll gepflegt, ihm erleichtert was sie konnten, bis dann am vergangenen Freitag sein Leben erlosch.
Sepp Herbst hatte in seinem Leben viele Kämpfe zu bestehen, er ist aber nach Schwierigkeiten und Niederlagen immer wieder aufgestanden, bereit dem Unbill entgegenzutreten. Eigentlich war er einer von uns, er war so wie wir und doch war er anders als wir, sein Weg mit und unter uns war sehr eigen.
1933 in der Blütezeit unserer Banater Heimat in Billed geboren, erlebte Sepp eine Kindheit wie im Bilderbuch. Er wuchs auf einem großen Bauernhof voller Leben auf, in der Familie, zu der auch seine Schwester Maria gehörte und ein großer Familienverband. Wir sind fast gleichaltrig und kannten uns seit der frühen Kindheit. Wir lebten in einer damals heilen Welt. Unsere Freiheit auf den großen Höfen, breiten Gassen und fast unendlichen Wiesen und Teiche um das Dorf war grenzenlos.
Doch diese Idylle wurde bald zerstört. Es kam der Krieg und es kam das was der Krieg bringt: Tod und Verderben. Sepps Vater wurde zum Rumänischen Heer eingezogen, im November 1943 brachte der Postbote die schlimme Botschaft, dass Sepps Vater vermisst sei, Genaueres erfuhr man nie. Die beiden Kinder waren nun Waisen, die Mutter wurde Witwe und musste sehen wie sie mit dem Hof zurecht kam. Plötzlich waren wir in einer anderen Welt und das Unglück nahm seinen weiteren Lauf. Zwei Jahre später war der Krieg in unserem Dorf. Der Staat, für dessen Interessen unsere Männer und Väter im Krieg gestorben waren, behandelte die Deutschen im Lande wie Feinde, es folgten Enteignung und Unterdrückung der deutschen Minderheit in Rumänien.
Und es kam noch schlimmer. Obwohl die Familie Herbst zunächst beeignet worden war, wurde sie im Juni 1951 in die Baragansteppe deportiert, mit fünf Jahren Zwangsaufenthalt in Însurăței. Es waren bittere Jahre in der Steppe. Hart traf ihn auch, dass er wegen der Deportation seine Schulausbildung nicht fortsetzen konnte.
Zu den fünf Jahren im Baragan gesellten sich zwei weitere Jahre Zwangsarbeit, die er bei einer rumänischen Arbeitseinheit auf einer Baustelle ableisten musste.
Mittlerweile schrieb man das Jahr 1956, mit dem wieder eine Zeit der relativen Freiheit kam, soweit dies im Kommunismus möglich war. Nun wurde aufgebaut, Sepp und Lissi gründeten eine Familie, die Söhne Hans und Alfred wurden geboren. Sepp wurde Berufsfahrer beim Sanitätsdienst, wo er vielen Landsleuten helfen konnte. Seine Hilfsbereitschaft war sprichwörtlich, sein sozialer Einsatz beispielhaft. Beachtlich war auch sein Einsatz bei der örtlichen Feuerwehr, deren Zweiter Kommandant er war. Mitgewirkt hat er im Billeder Gemeindechor und in mehreren Volkstheatergruppen. Sepp war von Kindesbeinen auf Ministrant und engagiert in der Kirche. Eigentlich war er überall im Dorf bekannt. Seine Leutseligkeit und Hilfsbereitschaft machten ihn beliebt bei allen, die ihn kannten. Die große Teilnahme an seiner heutigen Beisetzung beweist dies.
Nicht bei allen war er beliebt, er hatte auch Feinde. Diese setzten die Securitate auf ihn an, vorgeworfen wurden ihm Beziehungen zu den Landsleuten in Deutschland. Als er dann noch in Beugehaft genommen wurde, reichte es ihm endgültig, wie er sagte. Obwohl er sich der großen Gefahr bewusst war, floh er mit seinem ältesten Sohn und mehreren Landsleuten über die streng bewachten Grenzen nach Deutschland.
Die vierte Phase in Sepps Lebensweg war eine erfolgreiche. Bald schon fand die Familie in Gaggenau zusammen. Man fand Arbeit, konnte ein Haus erwerben, die Söhne gründeten Familien, es wuchsen vier Enkelkinder nach, auf die er sehr stolz war.
Sepp Herbst hat sich sofort nach seiner Ankunft in Deutschland, in unserer Heimatgemeinschaft engagiert, er hat unsere Heimatkartei mit 2.500 Anschriften geführt und Kontakte zu Billedern über Kontinente aufgebaut. Sepp war auch Mitarbeiter bei der Suche nach Klärung mancher Kriegsschicksale und beim Erwerb von Kriegsschadenrenten.
Sepp war auch in der Landsmannschaft sehr aktiv und hat in den Banater Chören in Karlsruhe, Rastatt und Gaggenau gesungen.
Nach der Wende 1989 engagierte er sich bei den Hilfsaktionen für die Landsleute im Banat, denen LKW-weise Lebensmittel gebracht wurden. Sepp war immer da, wo er gebraucht wurde.
Bei einem letzten Gespräch mit ihm sagte er mir, er würde ohne Zorn auf Rumänien zurückblicken, auf die Zeit die er dort verbringen und leidvoll erleben musste. Vergessen könne er dies nicht, wie er auch die Banater Heimat nicht vergessen könne, er sehe sich heute aber irgendwie versöhnt mit denen, die dort unseren Platz eingenommen haben. Für sein Wirken für Freundschaft zwischen der Gemeinde Billed und der Billeder Heimatgemeinschaft hat die Gemeinde Billed ihm die Würde eines Ehrenbürgers verliehen.
Wir nehmen heute Abschied von dir, lieber Sepp, wir alle sind gekommen um dir Dank zu sagen, ich darf dir als Nachruf unsere hohe Anerkennung für deine Leistung aussprechen, namens der Billeder und aller Banater Landsleute, die dich gekannt haben. Viele werden in dieser Stunde an dich denken und die Kirchenglocken in Billed werden deinen letzten Gang begleiten.
Liebe Landsleute, er ist nicht nur einer von uns, er ist ein Stück von uns, ein Stück Billed, ein Stück Heimat, ein Stück Banat, das wir hier zu Grabe tragen. Und er war wirklich ein guter Kamerad, den wir der Erde übergeben. Möge der Herr dich, lieber Sepp, zu den seinen nehmen!