Eine Lehrerin, wie eine Mutter - Maria Schaljo wird 80


Maria Schaljo

Für manch einen ist sein Beruf eine Berufung. Wenn das auf jemanden zutrifft, so bestimmt auf Frau Maria Schaljo. Mehr noch, wer Frau Schaljo als Lehrerin erlebt hat, weiß, mit wie viel Sachverstand und pädagogischem Einfühlungsvermögen sie ihre Aufgabe versah. Sie ist keine, die sich gerne in den Vordergrund schiebt. Ohne große Worte, ohne je einen strengen Blick, allein mit unendlicher Geduld und Güte hielt sie ihre Schüler stets im Zaum und hatte deren Aufmerksamkeit. Es war einem geradezu peinlich, ihr zu widersprechen oder sich gar aufzulehnen. Durch ihre milde Art war sie stets ein Vorbild und man folgte gern ihren Ausführungen.
Nun waren die Fächer Mathematik und Physik nicht jedermanns Sache, trotzdem schaffte es Frau Schaljo, den Stoff für jeden faszinierend rüberzubringen und so manchen Schüler dafür gar richtig zu begeistern. Sie bereitete ihre Schüler auf Olympiaden vor und nahm mit ihnen daran teil. Die Ergebnisse ihrer Arbeit können sich sehen lassen, schließlich hat so manche/r ihrer ehemaligen Schüler/innen später einen elektrotechnischen, physikalischen oder IT-Beruf ergriffen und konnte auf ein solides Ausbildungsfundament bauen.

Maria kam als erstes Kind von Margarethe und Jakob Jobba am 13. November 1933 in der Banater Gemeinde Knees, nordöstlich von Billed zur Welt. Nach und nach wurden den Eheleuten weitere Kinder geboren und alles deutete auf eine friedvolle, geborgene Kindheit hin, in der bäuerlichen Familie christlicher Prägung des Jakob Jobba. Mit der vierten Dekade des letzten Jahrhunderts brach aber der große Sturm herein und auch das Familienoberhaupt Jobba wurde zu den Waffen eingezogen, wie so viele seiner Landsleute. Leider kehrte der Vater aus dem Krieg nicht mehr heim.
Damit war die unbeschwerte Kindheit für Maria Jobba vorbei. Kaum zehn Jahre alt, musste sie schon lernen, Verantwortung zu übernehmen. Sie sah sich in der Pflicht, der Mutter beizustehen, um für die drei kleineren Geschwister zu sorgen. Allen Widrigkeiten zum Trotz hat die Mutter ihre vier Kinder zu rechtschaffenen Menschen erzogen, die ihr Leben selbst in die Hand genommen haben. Leider ist der über alles geliebte Bruder Ernst, der jüngste der Geschwister, schon in frühen Erwachsenenjahren einer unheilbaren Krankheit erlegen. Auch diesen Schicksalsschlag hatte die Familie zu verkraften, aber dadurch wurde sie nur fester zusammengeschweißt.
Nach Grundschule in Knees, Pädagogischem Gymnasium und erster Hilfslehrer-Tätigkeit hat Frau Jobba ab 1957 in vierjährigem Fernstudium das Lehrerdiplom an der Uni Temeschburg erworben. Fortan war sie an der Allgemeinschule Billed als Fachlehrerin für Physik und Mathematik tätig, zudem jahrelang als stellvertretende Rektorin.
Anfang/Mitte der siebziger Jahre hatten wir Frau Jobba ebenfalls als Klassenlehrerin. Zu Beginn der 5. Klasse hat sie ihren Neffen Richard, einziger Sohn von Schwester Susi, bei sich in Billed aufgenommen, damit er den Oberzyklus der Grundschule weiterhin in deutscher Sprache besuchen konnte. Dies war in Knees, aufgrund der geringen Anzahl an deutschen Kindern, nicht mehr möglich. Frau Jobba wohnte zu dieser Zeit, ebenso wie die Zeichenlehrerin, Frau Popa, zur Miete bei Familie Braun Robi in der Kirchgasse. Im Winter besuchte ich Richard nachmittags schon mal, da wir noch über meine Oma mit den Kneeser Jobbas verwandt sind. Die Lehrerin zu Hause zu erleben, war nochmal eine ganz andere Erfahrung. Sie war so ursprünglich und natürlich, sprach ganz selbstverständlich Mundart und vertrieb sich die Zeit mit uns durch Brettspiele. Wenn es uns zu langweilig wurde, gingen wir beiden Jungs aufs „Dämmche“ Schlittschuh laufen. So hat sich Richard ganz schnell in Billed wohl gefühlt. Leider ist er, mit einem Schicksalsschlag für die ganze Familie, schon 1984 viel zu früh aus dem jungen Leben gerissen worden.

Durch ihre Heirat 1972 mit dem Witwer Adam Schaljo hatte Maria Jobba auch die Mutterrolle für seinen Sohn Werner übernommen. Einen besseren Ersatz konnte der Zwölfjährige nicht bekommen, denn Maria Schaljo, wie sie nun hieß, nahm ihn an wie ihr eigenes Kind und vertrat so gut wie nur möglich seine eigene Mutter. 1973, mit der Geburt von Ernst, kam sie noch selbst zu spätem Mutterglück. Den Namen des Sohnes wählten die Eheleute natürlich im Andenken an ihren verstorbenen Bruder. Ich erinnere mich noch gut an den Sommer 1974, als, zur Verabschiedung der achten Klasse Frau Schaljo in der Schule vorbeischaute, um stolz ihren Nachwuchs zu präsentieren. Alle drängten sich um den Kinderwagen und wollten der Lehrerin zeigen, wie sehr sie ihr das Glück gönnen.
In Billed unterrichtete Frau Schaljo noch viele Schulbankdrücker, bis sie 1988, in dem damals dort üblichen Alter, in den Ruhestand eintrat. Nachdem die Grenzen gefallen waren, ist die Familie 1990, mit den meisten Billedern, in die Bundesrepublik übergesiedelt und hat in Solingen ein neues Zuhause gefunden. Hier hieß es, wieder neu anzufangen, dazu war sie als Rentnerin noch zu jung. Da aber das Studium nicht vollwertig anerkannt wurde, bekam Frau Schaljo die Gelegenheit, nach einem Schuldienst auf Probe, eine Grundschulklasse zu übernehmen. Somit fand sie sich in ihrer Lieblingsrolle wieder und unterrichtete bis 1996 mit Hingabe Kinder in Deutschland. Auch nachdem sie mit dreiundsechzig in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet wurde, gab sie einer ihrer letzten Schülerinnen weitere Monate Nachhilfeunterricht.

Nur zwei Jahre später blieb Frau Schaljo wieder allein, da ihr Mann nach zäher Krankheit verstarb. Somit war es ihm nicht mehr vergönnt, die nächste Generation seiner Nachkommenschaft zu erleben. Sein Sohn Werner lebt auch heute noch in der Nähe und hat nach wie vor einen sehr guten Kontakt zur Mutter.
Der jüngere Bruder Ernst ist inzwischen verheiratet und machte Frau Schaljo zweimal zur Oma. Enkelin Lea wurde 1999, Enkel Noah 2001 geboren. Sie sind heute ihr Ein und Alles. Die junge Familie wohnt in Düsseldorf und die Kinder brauchen keinen Babysitter mehr. Trotzdem kommt Oma per Bus einmal die Woche herüber, um alle zu bekochen - darauf ist Verlass.
Außerdem ist an vielen Sonntagen die gesamte Familie bei Mutter zum Mittagessen versammelt.
Ihre Freizeit vertreibt sich die Rentnerin heute mit Lesen und Handarbeit. Immer noch besucht sie gern den Gottesdienst, was in ihren Lehrerjahren in Rumänien nicht uneingeschränkt möglich war.
Regelmäßig telefoniert Maria Schaljo mit ihrer einzigen noch lebenden Schwester Susi, um Neuigkeiten auszutauschen. Die Seniorenkarte der Bahn hat sich voll bezahlt gemacht. Sooft es ihr möglich ist, besucht sie, trotz der Entfernung, die Schwester in Bayern. Auf Klassentreffen ist Frau Schaljo gerngesehener Gast und nimmt diese Einladungen, wann immer das Wohlbefinden dies zulässt, auch wahr. Interessiert und mitfühlend, erkundigt sie sich stets nach den ehemaligen Zöglingen - auch jenen, die dem Treffen fern blieben.
Dafür sowie für ihre aufopferungsvolle Lehrtätigkeit im Dienste unserer Billeder Gemeinschaft gebührt Frau Schaljo unser aller Dank. Zu Ihrem achtzigsten Wiegenfest wünsche ich Ihnen, Frau Schaljo, im Namen aller ehemaligen Schüler weiterhin geruhsame und zufriedene Lebensjahre, bei guter Gesundheit im Kreise Ihrer Familie!



Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.