Heimattag 2019 in Text und Bild
Gedenkansprache von Ralf Gilde am Billeder Denkmal in Karlsruhe
Selten waren die Geschichte und die Erfahrungen der Schwowe aktueller als heute.
Denn die Geschichte der Banater Schwaben ist im Besonderen eine der Umsiedlung, der Vertreibung, der Suche nach einer besseren Zukunft für sich und die eigene Familie. Eine Geschichte der Auswanderung und Flucht, eine Geschichte von Neuanfang und neuer Heimatfindung, eine Geschichte von freiwilligem Wegzug und erzwungener Deportation. Aber auch eine Geschichte von Menschen, die sich – auch wenn die äußeren Umstände noch so widrig waren – nicht unterkriegen ließen und mit Fleiß, Demut, Bescheidenheit und harter Arbeit ihres eigenen Glückes Schmiede wurden.
Die historischen Fakten und Begebenheit lassen sich in zahlreichen Büchern und Chroniken mittlerweile gut recherchieren und nachvollziehen. Die Aktualität der schwowischen Geschichte erwächst allerdings aus den Entwicklungen unserer heutigen, globalisierten Welt.
Wir sehen heute ein zunehmendes Maß an Migration von Menschen des afrikanischen Kontinents oder des Nahen Ostens in Nachbarländer und auch in die Europäische Union. Migration, die vielfältige Ursachen und ganz unterschiedliche Motive hat. Migration, um Hungersnöten oder der eigenen wirtschaftlichen Perspektivlosigkeit zu entkommen. Migration, um Krieg und Verfolgung zu entkommen oder um sich aus dem Joch der politischen oder religiösen Unterdrückung zu befreien.
Motive, die wir über die vergangenen Jahrhunderte auch in der schwowischen Geschichte häufig wiederfinden. So sind Mitte des 18. Jahrhunderts unsere Vorfahren von Mosel, Lothringen oder Luxemburg aus aufgebrochen, um den Hungersnöten, ausgelöst durch mangelndes Ackerland und durchs Land marschierender Kriegstruppen, zu entfliehen. Aber auch in der Hoffnung auf eine erträglichere Zukunft für sich und die eigene Familie im Banat. Es waren vor allem einfache Handwerker oder Bauern, denn hätten sie Land oder eine besondere Profession besessen, wären sie geblieben und hätten sich nicht auf gemacht in eine ungewisse und entbehrungsreiche Zukunft.
Ende des 19. Jahrhunderts und nach dem ersten Weltkrieg gab es einen regelrechten Wegzug nach Amerika. Knapp gewordener Lebensraum, die Kriegserfahrung aber vor allem die Hoffnung auf an Bäumen wachsende Dollars, waren Antrieb zur Auswanderung. Diesmal waren es eher die besser Situierten, die aufbrachen ihr Glück zu finden.
Und dann, ab Mitte des 20. Jahrhunderts, mit den Erfahrungen des Krieges, den Leiden einer Deportation und dem Aufkommen eines kommunistischen, diktatorischen Systems, schloss sich für viele Schwowe der Kreis, man ging zurück in die alte-neue Heimat, zurück nach Deutschland.
Liebe Festgäste, liebe Schwowe, liebe Billeder,
Wir feiern heute das 18. Billeder Heimattreffen hier in Karlsruhe. Aber wir feiern auch über drei Jahrzehnte gelungene Integration. Auch wenn heute selbst meine Generation noch als „mit Migrationshintergrund“ bezeichnet wird, kann man doch sagen, dass man uns den Migrationshintergrund, nicht wirklich anmerkt. Es sei denn man unterhält sich gerade lautstark auf Schwowisch oder zieht Stolz in der Banater Tracht, begleitet von Blechmusik, durch die Straßen, wie es auch heute Nachmittag wieder der Fall sein wird.
Bericht von Elisabeth Martini
Billeder Heimattage fangen ganz langsam an, aber dann, aber dann...
Es war das 23. Billeder Treffen und das 18. in Karlsruhe, dem Zentrum der Billeder in der BRD, wobei auch Billed selbst durch sein Heimathaus - mit Forum und Heimatstube - immer mehr an touristischem Reiz gewinnt, immer mehr Besucher anzieht.
Pfingsten, das Fest des Heiligen Geistes, ist zugleich das Fest der Begegnungen vieler Banater Schwaben, was aber zur Konkurrenz mit der allgemeinen deutschen Urlaubswelle führt. Es darf somit nicht wundern, wenn erhoffte Teilnehmerzahlen nicht immer erreicht werden.
Gemäß veröffentlichtem Programm fand am Samstag, dem 8. Juni, auf dem Karlsruher Hauptfriedhof, am Billeder Gedenkstein, die Feier zur Totenehrung statt, an der sich der Banater Chor unter der Leitung von Ortwin Meinhardt, die Bläsergruppe unter der Leitung von Adam Tobias, Billeder und Nicht-Billeder beteiligten.
Die Gedenkrede hielt Ralf Gilde, Vertreter der jungen Generation, Vorstandsmitglied, der aus dieser Sicht einen historischen Rückblick auf Billed und seine Bewohner warf, auch die große Leistung derselben hervorhob, ihren Fleiß und ihre Charakterstärke, ihre Heimatverbundenheit.
Der Banater Chor bot bekannte Lieder wie: „Wohin soll ich mich wenden?“, „Näher mein Gott zu Dir“, und zum Schluss „Glocken der Heimat“, die so manches Herz wehmütig stimmten. Die Totengebete und Fürbitten bot Elisabeth Luckhaup, während unser Heimatpfarrer Marius Frantescu darauf hinwies, dass auch Trauer zum Leben gehört und wir Gottes Hilfe brauchen, um nicht allein zu sein. Er segnete die Lebenden und die Toten im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
In Abwesenheit des gesundheitlich angeschlagenen stellvertretenden Vorsitzenden Josef Herbst verlas sein Sohn Alfred Herbst die lange Liste derer, die seit dem letzten Treffen verstorbenen sind.
Die Bläser umrahmten die Totenfeier mit feierlichen Tönen, ein Gedichtvortrag von Kerstin Klein ergänzte die beeindruckende Feier. Allen Beteiligten dankte Werner Gilde zum Schluss und verwies auf die weiteren Programm-Punkte des Tages.
Schon Freitag Nachmittag hatten Hans Rothgerber, Peter Krier, Josef Freer und Peter Weber im Foyer der Badnerlandhalle die Ausstellung des Banater Malers Franz Ferch organisiert mit wunderbaren Druck-Exponaten, die durch 2-3 Bilder jede Schaffensperiode des Künstlers veranschaulichen sollten, sein Talent und seine Wandlungsfähigkeit. Peter Krier präsentierte bei der Eröffnung vor zahlreichem Publikum den Maler in seiner Entwicklung und verwies darauf, dass dieser aus den Gegebenheiten heraus, in die er hineingeboren wurde, das Bestmögliche gemacht hat; unter anderen Umständen hätte er vielleicht mehr erreicht. Die vergrößerten Drucke beeindruckten die Besucher, wobei auch auf die noch größeren Exponate in der Galerie im Essraum des Billeder Forums hingewiesen wurde.
In der Zwischenzeit waren die Trachtenträger mit der 20-köpfigen Blasmusikkapelle zur Feuerwehr-Remise marschiert, um Ehrengäste mit einem Ständchen einzuladen: die neue Schirmherrin, Bürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz, den neuen Ortsvorstehervon Neureut Achim Weinbrecht. Zaungäste fanden es äußerst unterhaltsam, den Trachtenträgern bei Musik und Tanz zuzusehen, zu klatschen, mitzumarschieren. Für viele Neureuter ist es das sichtbarste Zeichen des Heimattages: der Festzug der Trachtenpaare mit der Trachten-Blasmusikkapelle – ein Augen- und Ohrenschmaus. Die Einladung zum Fest wurde dankend angenommen.
Marschierend zur Blasmusik kam der Festzug als optischer Höhepunkt mit den Ehrengästen zur St. Judas-Taddäus-Kirche, wo Heimatpriester Marius Frantescu die Festmesse zelebrierte. Dabei sollte sowohl Gott als auch die Gemeinschaft, unsere Gemeinschaft, gefeiert werden. Den feierlichen Rahmen bot der Banater Chor unter der Leitung von Sonja Salman und den Solistinnen Irmgard Holzinger-Fröhr und Melitta Giel, deren wunderbarer Gesang so manchen tief berührte, manchen zu Tränen.
Im Foyer der Badnerlandhalle wurde um die Mittagszeit vor zahlreichem Publikum die Ausstellung
„Bilderwelt des Banater Malers Franz Ferch“ durch den Ehrenvorsitzenden der HOG Billed Peter Krier eröffnet. Dieser erläuterte die Bedeutung des Malers für die Kunst, aber auch für uns Banater, seine Entwicklung, bedingt durch die politisch-sozialen Umstände. Die großformatigen Reproduktionen von Hans Rothgerber veranschaulichten durch je 2-3 Exponate die verschiedensten Schaffensperioden des Künstlers und zugleich seine Wandlungsfähigkeit und seine Heimatverbundenheit, was die Betrachter berührte.
Beeindruckt hat auch wieder die Tatsache, dass unser Dorfkind, Priester M. Frantescu, in der ST. Judas-Taddäus-Kirche „schwowisch“ / schwäbisch gepredigt hat in Erinnerung an seinen Großvater/Ota, der ihn ermahnte: „Vergess net, in deiner Bruscht schlaat e schwowisch Herz! Mer steht zu dem, was mer is – e Schwob, e Billeder.“
Lesungen aus dem Evangelium und Fürbitten nahmen Trachtenträger vor. An Pfingsten, dem Fest des Heiligen Geistes, sollten die Gebete der Gemeinschaft auch die Verbundenheit der Lebenden mit den Toten ermöglichen. Die Bitte um Friede und Eintracht ließ die Menschen einander die Hand reichen; die Hostie, den Leib Christi, nahmen die meisten zur inneren Stärkung an, während der Chor das „Ave Maria“ sang.
Der Kirchweihstrauß und alle Anwesenden wurden am Schluss gesegnet und der Chor ließ „Großer Gott, wir loben Dich“ erschallen.
Nach dem Einzug der Trachtenträger mit den Ehrengästen in die Festhalle erfolgte die feierliche Begrüßung der schon erwähnten Festgäste, ergänzt durch den Landesvorsitzenden der Banater Schwaben BW Josef Prunkl , die Vorsitzenden befreundeter HOGs, Hans Mathis, Peter Weber. Gekonnt und charmant führte Heidi Müller durch das Kulturprogramm, wobei Grußreden und Tanzeinlagen der Trachtenträger wie Gedichtvorträge ein harmonisches Ganzes ergaben.
In ihrem Grußwort unterstrich die Erste Bürgermeisterin Gabriele Luczak-Schwarz als neue Schirmherrin des Heimattages die Ziele der Heimatgemeinschaft Billed: „Sie alle tragen mit Herzblut, Ideenreichtum und Kreativität dazu bei, die Erinnerung an ihre Heimat aufrechtzuerhalten. Sie brennen für ihre Heimat und schaffen es, diesen Funken auf die jüngeren Generationen zu übertragen.“
Sehr nachdenklich stimmte die Rede von Josef Prunkl, der die Billeder von früher kannte, der aber auch erlebte, wie sie und viele Banater zu sehr bemüht waren, sich in der neuen Heimat anzupassen, sprachlich nicht aufzufallen. Zumal sie die Erfahrung einer Diktatur haben, dürften sie die Wehrhaftigkeit viel mehr verteidigen.
Das „Verzähle“ der versammelten Billeder ist heute anders als vor 20 und mehr Jahren, es ist weniger rückwärtsgewandt als zeitnah, bedingt im Großen durch Generations- und Zeitenwechsel.
Festprogramm-gemäß musste so um 19 Uhr die Jahreshauptversammlung der HOG dazwischen geschaltet werden, zumal Neuwahlen des Vorstandes anstanden. Nach der Entlastung des alten Vorstandes, des Kassenwarts und der Kassenprüfer brachte die Neuwahl nur wenige Veränderungen, da die meisten bereit waren, ihre Aufgaben weiter zu erfüllen.
Zuerst brachte die Blaskapelle die Tanzlustigen in Schwung, dann unterhielt Eduard Thöress auf seine Art, sang zuerst das „Billed-Lied“ von Hans Mathis.
Die Tanzunterhaltung dauerte anschließend mit DJ "Edi-Kumedi" bis nach Mitternacht und ließ alle zufrieden nachhause gehen, mit dem Wunsch, dass es das nächste Mal wenigstens ebenso schön wird wie diesmal. Einhellig war man der Meinung, dass es ein sehr gelungenes Fest war, das wir vielen Helfern, Organisatoren, Mitwirkenden und denen verdanken, die das Ganze im Bild für jedermann und auch später festgehalten haben: Cornel Gruber-Simionescu, Ottmar Liep, Hans Rothgerber, Holger Giel.
Den wunderbaren Strauß schmückten: Anna Just, Elisabeth Hipp, Elisabeth Pfeifer, Heidi Müller, Gerlinde Gilde; den Rosmarin spendeten die Familien Jäger (Durmersheim) und Gilde senior.
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