20. Billeder Heimattag 2013
Dienstag, 21. Mai 2013 | von Hans Rothgerber
Programmablauf der Festveranstaltung 2013
Samstag, 18. Mai 2013
10:00 Einlass in die Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut
11:00 Ausstellung "Fotos aus dem alten Billed"
14:00 Festumzug der Trachtenpaare (Rekordbeteiligung von über 30 Trachtenpaaren)
und Blaskapelle durch Neureut, Abholen der Ehrengäste
15:30 Festgottesdienst in der St. Judas-Thaddäus-Kirche
17:00 Ansprachen der Ehrengäste in der Festhalle,
Brauchtums- und Tanzvorführungen der Trachtengruppen
20:00 Unterhaltungsabend in der Festhalle mit der Billeder Blasmusik und DJ Gerry
Schirmherr: Bürgermeister Michael Obert
Sonntag, 19. Mai 2013
10:00 Gedenkfeier am Billeder Denkmal auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe
11:00 Hauptversammlung der HOG Billed in der Gaststätte der Rintheimer Sporthalle
Anschließend gemütliches Beisammensein, Ausklang des Treffens
Für die Zuhausegebliebenen wurde am Samstag, 18.05.2013, zwischen 17:00-24:00 Uhr, das Treffen weltweit über das Internet übertragen unter: www.heimathaus-billed.de
10:00 Einlass in die Badnerlandhalle in Karlsruhe-Neureut
11:00 Ausstellung "Fotos aus dem alten Billed"
14:00 Festumzug der Trachtenpaare (Rekordbeteiligung von über 30 Trachtenpaaren)
und Blaskapelle durch Neureut, Abholen der Ehrengäste
15:30 Festgottesdienst in der St. Judas-Thaddäus-Kirche
17:00 Ansprachen der Ehrengäste in der Festhalle,
Brauchtums- und Tanzvorführungen der Trachtengruppen
20:00 Unterhaltungsabend in der Festhalle mit der Billeder Blasmusik und DJ Gerry
Schirmherr: Bürgermeister Michael Obert
Sonntag, 19. Mai 2013
10:00 Gedenkfeier am Billeder Denkmal auf dem Hauptfriedhof in Karlsruhe
11:00 Hauptversammlung der HOG Billed in der Gaststätte der Rintheimer Sporthalle
Anschließend gemütliches Beisammensein, Ausklang des Treffens
Für die Zuhausegebliebenen wurde am Samstag, 18.05.2013, zwischen 17:00-24:00 Uhr, das Treffen weltweit über das Internet übertragen unter: www.heimathaus-billed.de
Grüße aus Billed zur Jubiläumsveranstaltung
Liebe Landsleute,
zur Jubiläumsveranstaltung des 20. Billeder Treffens möchte ich, sowie alle noch in Billed lebende Landsleute, auf's herzlichste gratulieren und der Festversammlung unsere Grüße senden.
Obzwar das Schicksal es nicht besonders gut mit unserem Volksstamm meinte, Krieg, Verschleppung und Kommunismus das geborgene Leben in den banatschwäbischen Siedlungen zerstört hat, ist es zu bewundern, dass eure Verbundenheit zueinander, als auch zur alten Heimat weiter besteht.
Beweis dafür: dies großangelegte Fest sowie eure andauernde Unterstützung zum Erhalt der Kirche, der Friedhöfe, der Sozialstation, des Forums sowie individuelle Unterstützungen an notleidende Landsleute.
Für all das ein herzliches Dankeschön aus Billed.
Durch das Errichten mithilfe der HOG von Übernachtungsstätten im Heimathaus Billed besteht die Möglichkeit, dass Billeder, die seit Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr in der alten Heimat waren, sie besuchen und sich dort wohlfühlen können.
Dadurch bietet sich auch uns die Gelegenheit, wenn auch nur einen Bruchteil der uns erwiesenen Verbundenheit zu erwidern.
Unsere Glückwünsche richten wir auch an die Trachtengruppen des Kreisverbandes Karlsruhe zu ihrem 20-jährigen Bestehen. Weiterhin viel Erfolg!
Auch der diesjährigen Veranstaltung wünsche ich ein gutes Gelingen.
Mit den besten Grüßen
euer Landsmann Adam Csonti
zur Jubiläumsveranstaltung des 20. Billeder Treffens möchte ich, sowie alle noch in Billed lebende Landsleute, auf's herzlichste gratulieren und der Festversammlung unsere Grüße senden.
Obzwar das Schicksal es nicht besonders gut mit unserem Volksstamm meinte, Krieg, Verschleppung und Kommunismus das geborgene Leben in den banatschwäbischen Siedlungen zerstört hat, ist es zu bewundern, dass eure Verbundenheit zueinander, als auch zur alten Heimat weiter besteht.
Beweis dafür: dies großangelegte Fest sowie eure andauernde Unterstützung zum Erhalt der Kirche, der Friedhöfe, der Sozialstation, des Forums sowie individuelle Unterstützungen an notleidende Landsleute.
Für all das ein herzliches Dankeschön aus Billed.
Durch das Errichten mithilfe der HOG von Übernachtungsstätten im Heimathaus Billed besteht die Möglichkeit, dass Billeder, die seit Jahren oder Jahrzehnten nicht mehr in der alten Heimat waren, sie besuchen und sich dort wohlfühlen können.
Dadurch bietet sich auch uns die Gelegenheit, wenn auch nur einen Bruchteil der uns erwiesenen Verbundenheit zu erwidern.
Unsere Glückwünsche richten wir auch an die Trachtengruppen des Kreisverbandes Karlsruhe zu ihrem 20-jährigen Bestehen. Weiterhin viel Erfolg!
Auch der diesjährigen Veranstaltung wünsche ich ein gutes Gelingen.
Mit den besten Grüßen
euer Landsmann Adam Csonti
Ansprache von Johann Steiner bei der Gedenkveranstaltung am Denkmal der Gemeinde
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Landsleute,
zwei Jahre sind vergangen, seit sich ein Teil von uns hier versammelt hat, um unserer Vorfahren zu gedenken. Heute ist es erneut soweit: Wir sind wieder einmal in Karlruhe um das Mahnmal versammelt, das unsere Gemeinde im Gedenken an unsere Toten hat aufstellen lassen. Inzwischen sind zwei Jahrzehnte vergangen, seit die letzten aus unserer Billeder Gemeinschaft in der alten Heimat alles haben stehen lassen und mit zwei Kisten, doch mit einem Herz voller Erinnerungen für immer gegangen sind - ins Mutterland. Sie hatten es satt, dass ihre Identität zermalmt wurde, „mal mit Stiefelbrutalität“ und „mal mit levantinischer Schlauheit“, wie es Nikolaus Berwanger in einem Gedicht ausdrückt.
Der heutige Pfingstsonntag ist ein Tag, an dem wir wieder einmal zurück- und vorausblicken wollen. Die beste Gelegenheit dazu bietet wohl eine kurze Rundreise durch unsere ehemalige Heimat, zu der wir in Temeswar starten wollen.
„War die Bega immer so schmal?“ Von der Fußgängerbrücke über den Kanal ist der Blick frei durch die Ady-Endre-Straße auf die orthodoxe Kirche am Küttel-Platz. Wir haben den Kanal, aber auch die Hauptstadt des Banats und die Dörfer in unserer ehemaligen Heimat ganz anders in Erinnerung. Denn die Farbe unserer Erinnerungen ist verblasst. Es ist nicht mehr die Erinnerung, mit der wir die Reise vor zwei oder drei Jahrzehnten nach Deutschland angetreten haben.
Nach 20 Jahren sind wir wieder einmal im Banat. Heute sehen wir vieles mit anderen Augen. Die Bega erscheint uns klein, auch manches Gebäude. Wir haben angenehme Erinnerungen an die Viertel, in denen wir in unserer Jugend herumgekommen sind. Die Ady-Endre-Straße, die vom Gotteshaus der Baptisten am linken Bega-Ufer südwärts zur rumänisch-orthodoxen Kirche in der Temeswarer Josefstadt führt, sieht nicht besser und nicht schlechter aus als die meisten Straßen der Banater Hauptstadt. Die niedrigen Häuser erinnern nur noch an einstigen Glanz und Wohlstand. Heute sind sie Zeugen einer 40 Jahre währenden kommunistischen Misswirtschaft: Die Fassaden bröckeln, die Farbe fehlt schon längst.
In Billed ist es nicht anders. Dort stehen sich die Gegensätze diagonal gegenüber. Die Kirche und das einstöckige Pfarrhaus sind frisch gestrichen. Das Dach des einstöckigen Kastells, das aus der Zeit um 1800 stammt, ist eingestürzt. Es ist nicht das erste Gebäude, das in Billed zerfällt. Doch es gibt auch Positives: Alle Straßen haben ein Schotterfundament und sind auch nach Regen befahrbar. Die Haushalte werden mit Erdgas versorgt. In Billed ist die Stadtnähe zu spüren. Die beiden Friedhöfe, der Neugässer und der Sauerländer, sind gepflegt. Es ist das Verdienst eines Mannes: Adam Csonti vom Deutschen Forum. Das Forum, das in einem ehemaligen Bauernhaus seinen Sitz hat und Küche und Hotelzimmer sein eigen nennt, ist Treffpunkt und versorgt Senioren mit Essen. Billed hat noch mehr deutsche Einwohner als die meisten anderen Dörfer in der Banater Heide. Doch die Mehrheit ist alt, sehr alt. Zu ihnen gehören die Schwestern Katharina und Maria Gilde in der Altgasse. Sie sind schon mehr als 90 Jahre alt, doch es fehlt ihnen nichts. Sie haben ihre Felder zurückerhalten, die sie verpachten. Sie beziehen drei Renten: eine für fünf Jahre Zwangsarbeit in russischen Lagern, eine für die Verschleppung in die Donautiefebene und eine für die Arbeitsjahre auf Staatsfarmen und in der Billeder Ziegelei.
Wir erreichen Billed mit einem Taxi. Vor dem Laden gegenüber dem Rathaus stehen ein halbes Dutzend Männer. Davon kenne ich einen, er heißt Willi. Ich bin froh, dass er nicht weiß, wer ich bin. Er gehört zu jenen, von denen Nikolaus Lenau in einem seiner schönsten Gedichte schreibt:
„Dreimal haben sie mir gezeigt,
Wenn das Leben uns nachtet,
Wie man´s verraucht, verschläft, vergeigt,
Und es dreimal verachtet.“ Billed um 9. Es ist lediglich ein Bildausschnitt. Er zeigt uns genauso wie ein Spaziergang durch die Dorfstraßen, dass doch nicht sämtliche Erinnerungen verblasst sind. Früher, das wissen wir noch ganz genau, waren die Straßen und Höfe gefegt und aufgeräumt.
Der Spaziergang durch die Straßen führt an Ruinen vorbei, aber auch an neuen Häusern, die überall in Europa stehen könnten. Die neuen Einwohner, die unsere Stelle eingenommen haben, sind in letzter Zeit mit Eifer dabei, weitere unserer Spuren zu verwischen. Was der Zahn der Zeit nicht geschafft hat, holen sie jetzt nach. Sie tragen die Spitzgiebel ab und machen sie zur Schrägen, wohl auch, um die deutschen Namen zu tilgen.
Das Land zwischen Donau, Theiß, Marosch und Banater Bergland haben längst andere übernommen. Wir Deutschen im Ost-Banat sind mehr oder weniger freiwillig gegangen. Die Juden haben das Land noch vor uns Deutschen und vor den Ungarn verlassen.
Wer heute im Banat unterwegs ist, weiß aber auch das: Es gibt nicht nur Armut. Nobelkarossen geben Auskunft über enormen Reichtum. Auch das sagt uns deutlich: Die Farbe der Erinnerungen verblasst. Das Banat ist nicht mehr das, was es einmal war. Binnen einer Woche haben wir auf unserer Rundreise auf den Straßen Temeswars drei Leute deutsch sprechen gehört, zwei auf der Lloydzeile und einen telefonierenden Jungen in der Elisabethstadt. Aber auch das Ungarische ist ebenso selten auf der Straße zu hören.
Auf Schritt und Tritt stellen wir fest: Die Farbe unserer Erinnerungen ist verblasst. Das multikulturelle Banat ist ärmer geworden, nicht nur materiell. Eigentlich schade.
Unsere Banater Schwaben, die vor zweieinhalb Jahrhunderten voll der Hoffnungen südostwärts ins Ungewisse gezogen sind, wurden wie eine 250-jährige Eiche von einem Wirbelsturm entwurzelt. War es eine menschliche Tragödie? Wahrscheinlich doch eher Glück im Unglück. Denn schon große Völker und Weltreiche sind von der Erdoberfläche verschwunden. Wir Banater Schwaben haben die uns vorgegaukelte historische Mission längst begraben. Wir hatten es satt, Zaungäste zu sein, wenn das Mehrheitsvolk die erste Geige spielt, um mit Berwanger zu sprechen.
Manche von uns haben keine neue Heimat mehr gefunden, doch es gibt auch solche, die selbst im Banat kein Heimatgefühl haben entwickeln können. Dafür haben sie zu kurz in ihrem Geburtsort gelebt. Inzwischen hat wohl die überwiegende Mehrheit der im Westen angekommenen ein neues Zuhause gefunden, und unseren Kindern und Kindeskindern bleibt das lästige Minderheitengefühl – hervorgerufen durch Beleidigungen und Diskriminierung - erspart.
Und deshalb können wir ruhig behaupten: Leid tut es den wenigsten. Inzwischen haben bestimmt viele eine neue Heimat gefunden, wir haben schon viele unserer Lieben im Land unserer Vorväter begraben. Und eins ist sicher: Dort, wo man seine Angehörigen begräbt, schlägt man neue Wurzeln. Karlsruhe und dieser Friedhof sind Beispiele dafür. Doch das hat wieder seine Kehrseite: Unsere Kinder und Enkel besuchen Billed kaum noch. Ihnen fehlt selbst die blasse Erinnerung. Das ist normal. Viele unserer Nachkommen lernen nicht mehr die uns vertraute Mundart, die sich unter dem binnendeutschen Einfluss längst wandelt. Auch unsere Sprache wird in nächster Zukunft Geschichte sein, denn alles verändert und entwickelt sich, ja verschwindet schließlich. Dieser Wandel ist Teil vom Kommen und Gehen der Völker. In einer Generation, vielleicht erst in der darauf folgenden, werden die Banater Schwaben zu den verschwundenen deutschen Stämmen gehören.
Es ergeht uns wie beispielsweise den Ostpreußen oder Schlesiern. Ihre Sprache, ihre Sitten verschwinden allmählich, während andere deutsche Stämme, in deren Mitte wir heute leben, ihr Brauchtum und ihre Sprache weiter pflegen können. Denn ihre Einrichtungen wurden nicht restlos zerstört. Ihre Lokalpresse mit ihren Redakteuren fördert nach wie vor den rheinischen Karneval oder die alemannische Fastnacht. Und dieselben Redakteure sind oft nicht bereit, Vertriebenen und ihren letzten Veranstaltungen ein paar Zeilen einzuräumen. Tun sie es aber, so kränken sie die von der Geschichte am härtesten Getroffenen oft, indem sie Herkunftsorte nicht beim deutschen Namen nennen. Ihnen wollte man gerne zurufen: Wie hättet ihr dreingeblickt, wenn die Interzonengrenze von West nach Ost verlaufen wäre und ihr auf der falschen Seite gestanden hättet?! Oder: Wie hättet ihr euch gefühlt, wenn ihr in Richtung Osten vertrieben worden wärt?
Die Gemeinschaft der Banater Schwaben ist unaufhaltsam eingestürzt wie ein Teil der stolzen Giebelhäuser, in den einst prachtvollen Banater Dörfern. Diese klaffende Wunde ist nicht mehr zu heilen. Könnten unsere Vorfahren, die fern von Karlsruhe, in den vier Joch auf dem Neugässer und Sauerländer Friedhof begraben liegen, zurückschauen, sie würden die Welt nicht verstehen. Den hier bestatteten aber bliebe das jedenfalls erspart. Denn sie haben selbst erfahren, was uns der Lauf der Geschichte alles beschert hat. Sie können hier in Frieden ruhen.
Aber ich bin mir sicher, sie würden das unterschreiben, was Hans Kehrer in ein paar schwäbische Verse gefasst hat:
Mer Schwowe
Mer hann all e Zaiche
em Gsicht, of der Stier, in de Aue!
Mer kennt ons von weidm.
Mer senn gebrennt,
un gephännt
un verschennt.
Mer Schwowe!
Gebrennt vom Kriech,
vom Lager, von Flucht on von Not.
Gebrennt von Braun on Rot,
von Scham on Tod!
Mer senn gephännt:
Et Feld es verlor,
et Vich ausm Tor:
on tot senn die Pheer,
de Tenn es leer.
Noh allm hann se gegriff,
gement, das macht reich.
Nor net nohm Fleiß -
de macht äm so mied - on so heiß!
Noh allem hann se gschrie
„im Namen des Volkes" -
on senn arm, wie noch nie!
Mer senn verschennt,
mer Schwowe:
von Rechts on von Lenks.
Weil mer en khä Schublad net passe!
Dem Rechtse zu lenks,
dem Lenkse zu rechts!
En der Freiheit
Solle mer net senn,
was mer senn!
Rechts war de Tod
on lenks war die Not!
Macht eich khä Sorche om ons!
Meer fenne de Weech!
On senn, was mer senn!
Hinner ons die Frem;
En Deitschland derhem!
Das Gedicht habe ich in den Billeder Dialekt übertragen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
zwei Jahre sind vergangen, seit sich ein Teil von uns hier versammelt hat, um unserer Vorfahren zu gedenken. Heute ist es erneut soweit: Wir sind wieder einmal in Karlruhe um das Mahnmal versammelt, das unsere Gemeinde im Gedenken an unsere Toten hat aufstellen lassen. Inzwischen sind zwei Jahrzehnte vergangen, seit die letzten aus unserer Billeder Gemeinschaft in der alten Heimat alles haben stehen lassen und mit zwei Kisten, doch mit einem Herz voller Erinnerungen für immer gegangen sind - ins Mutterland. Sie hatten es satt, dass ihre Identität zermalmt wurde, „mal mit Stiefelbrutalität“ und „mal mit levantinischer Schlauheit“, wie es Nikolaus Berwanger in einem Gedicht ausdrückt.
Der heutige Pfingstsonntag ist ein Tag, an dem wir wieder einmal zurück- und vorausblicken wollen. Die beste Gelegenheit dazu bietet wohl eine kurze Rundreise durch unsere ehemalige Heimat, zu der wir in Temeswar starten wollen.
„War die Bega immer so schmal?“ Von der Fußgängerbrücke über den Kanal ist der Blick frei durch die Ady-Endre-Straße auf die orthodoxe Kirche am Küttel-Platz. Wir haben den Kanal, aber auch die Hauptstadt des Banats und die Dörfer in unserer ehemaligen Heimat ganz anders in Erinnerung. Denn die Farbe unserer Erinnerungen ist verblasst. Es ist nicht mehr die Erinnerung, mit der wir die Reise vor zwei oder drei Jahrzehnten nach Deutschland angetreten haben.
Nach 20 Jahren sind wir wieder einmal im Banat. Heute sehen wir vieles mit anderen Augen. Die Bega erscheint uns klein, auch manches Gebäude. Wir haben angenehme Erinnerungen an die Viertel, in denen wir in unserer Jugend herumgekommen sind. Die Ady-Endre-Straße, die vom Gotteshaus der Baptisten am linken Bega-Ufer südwärts zur rumänisch-orthodoxen Kirche in der Temeswarer Josefstadt führt, sieht nicht besser und nicht schlechter aus als die meisten Straßen der Banater Hauptstadt. Die niedrigen Häuser erinnern nur noch an einstigen Glanz und Wohlstand. Heute sind sie Zeugen einer 40 Jahre währenden kommunistischen Misswirtschaft: Die Fassaden bröckeln, die Farbe fehlt schon längst.
In Billed ist es nicht anders. Dort stehen sich die Gegensätze diagonal gegenüber. Die Kirche und das einstöckige Pfarrhaus sind frisch gestrichen. Das Dach des einstöckigen Kastells, das aus der Zeit um 1800 stammt, ist eingestürzt. Es ist nicht das erste Gebäude, das in Billed zerfällt. Doch es gibt auch Positives: Alle Straßen haben ein Schotterfundament und sind auch nach Regen befahrbar. Die Haushalte werden mit Erdgas versorgt. In Billed ist die Stadtnähe zu spüren. Die beiden Friedhöfe, der Neugässer und der Sauerländer, sind gepflegt. Es ist das Verdienst eines Mannes: Adam Csonti vom Deutschen Forum. Das Forum, das in einem ehemaligen Bauernhaus seinen Sitz hat und Küche und Hotelzimmer sein eigen nennt, ist Treffpunkt und versorgt Senioren mit Essen. Billed hat noch mehr deutsche Einwohner als die meisten anderen Dörfer in der Banater Heide. Doch die Mehrheit ist alt, sehr alt. Zu ihnen gehören die Schwestern Katharina und Maria Gilde in der Altgasse. Sie sind schon mehr als 90 Jahre alt, doch es fehlt ihnen nichts. Sie haben ihre Felder zurückerhalten, die sie verpachten. Sie beziehen drei Renten: eine für fünf Jahre Zwangsarbeit in russischen Lagern, eine für die Verschleppung in die Donautiefebene und eine für die Arbeitsjahre auf Staatsfarmen und in der Billeder Ziegelei.
Wir erreichen Billed mit einem Taxi. Vor dem Laden gegenüber dem Rathaus stehen ein halbes Dutzend Männer. Davon kenne ich einen, er heißt Willi. Ich bin froh, dass er nicht weiß, wer ich bin. Er gehört zu jenen, von denen Nikolaus Lenau in einem seiner schönsten Gedichte schreibt:
Wenn das Leben uns nachtet,
Wie man´s verraucht, verschläft, vergeigt,
Und es dreimal verachtet.“
Der Spaziergang durch die Straßen führt an Ruinen vorbei, aber auch an neuen Häusern, die überall in Europa stehen könnten. Die neuen Einwohner, die unsere Stelle eingenommen haben, sind in letzter Zeit mit Eifer dabei, weitere unserer Spuren zu verwischen. Was der Zahn der Zeit nicht geschafft hat, holen sie jetzt nach. Sie tragen die Spitzgiebel ab und machen sie zur Schrägen, wohl auch, um die deutschen Namen zu tilgen.
Das Land zwischen Donau, Theiß, Marosch und Banater Bergland haben längst andere übernommen. Wir Deutschen im Ost-Banat sind mehr oder weniger freiwillig gegangen. Die Juden haben das Land noch vor uns Deutschen und vor den Ungarn verlassen.
Wer heute im Banat unterwegs ist, weiß aber auch das: Es gibt nicht nur Armut. Nobelkarossen geben Auskunft über enormen Reichtum. Auch das sagt uns deutlich: Die Farbe der Erinnerungen verblasst. Das Banat ist nicht mehr das, was es einmal war. Binnen einer Woche haben wir auf unserer Rundreise auf den Straßen Temeswars drei Leute deutsch sprechen gehört, zwei auf der Lloydzeile und einen telefonierenden Jungen in der Elisabethstadt. Aber auch das Ungarische ist ebenso selten auf der Straße zu hören.
Auf Schritt und Tritt stellen wir fest: Die Farbe unserer Erinnerungen ist verblasst. Das multikulturelle Banat ist ärmer geworden, nicht nur materiell. Eigentlich schade.
Unsere Banater Schwaben, die vor zweieinhalb Jahrhunderten voll der Hoffnungen südostwärts ins Ungewisse gezogen sind, wurden wie eine 250-jährige Eiche von einem Wirbelsturm entwurzelt. War es eine menschliche Tragödie? Wahrscheinlich doch eher Glück im Unglück. Denn schon große Völker und Weltreiche sind von der Erdoberfläche verschwunden. Wir Banater Schwaben haben die uns vorgegaukelte historische Mission längst begraben. Wir hatten es satt, Zaungäste zu sein, wenn das Mehrheitsvolk die erste Geige spielt, um mit Berwanger zu sprechen.
Manche von uns haben keine neue Heimat mehr gefunden, doch es gibt auch solche, die selbst im Banat kein Heimatgefühl haben entwickeln können. Dafür haben sie zu kurz in ihrem Geburtsort gelebt. Inzwischen hat wohl die überwiegende Mehrheit der im Westen angekommenen ein neues Zuhause gefunden, und unseren Kindern und Kindeskindern bleibt das lästige Minderheitengefühl – hervorgerufen durch Beleidigungen und Diskriminierung - erspart.
Und deshalb können wir ruhig behaupten: Leid tut es den wenigsten. Inzwischen haben bestimmt viele eine neue Heimat gefunden, wir haben schon viele unserer Lieben im Land unserer Vorväter begraben. Und eins ist sicher: Dort, wo man seine Angehörigen begräbt, schlägt man neue Wurzeln. Karlsruhe und dieser Friedhof sind Beispiele dafür. Doch das hat wieder seine Kehrseite: Unsere Kinder und Enkel besuchen Billed kaum noch. Ihnen fehlt selbst die blasse Erinnerung. Das ist normal. Viele unserer Nachkommen lernen nicht mehr die uns vertraute Mundart, die sich unter dem binnendeutschen Einfluss längst wandelt. Auch unsere Sprache wird in nächster Zukunft Geschichte sein, denn alles verändert und entwickelt sich, ja verschwindet schließlich. Dieser Wandel ist Teil vom Kommen und Gehen der Völker. In einer Generation, vielleicht erst in der darauf folgenden, werden die Banater Schwaben zu den verschwundenen deutschen Stämmen gehören.
Es ergeht uns wie beispielsweise den Ostpreußen oder Schlesiern. Ihre Sprache, ihre Sitten verschwinden allmählich, während andere deutsche Stämme, in deren Mitte wir heute leben, ihr Brauchtum und ihre Sprache weiter pflegen können. Denn ihre Einrichtungen wurden nicht restlos zerstört. Ihre Lokalpresse mit ihren Redakteuren fördert nach wie vor den rheinischen Karneval oder die alemannische Fastnacht. Und dieselben Redakteure sind oft nicht bereit, Vertriebenen und ihren letzten Veranstaltungen ein paar Zeilen einzuräumen. Tun sie es aber, so kränken sie die von der Geschichte am härtesten Getroffenen oft, indem sie Herkunftsorte nicht beim deutschen Namen nennen. Ihnen wollte man gerne zurufen: Wie hättet ihr dreingeblickt, wenn die Interzonengrenze von West nach Ost verlaufen wäre und ihr auf der falschen Seite gestanden hättet?! Oder: Wie hättet ihr euch gefühlt, wenn ihr in Richtung Osten vertrieben worden wärt?
Die Gemeinschaft der Banater Schwaben ist unaufhaltsam eingestürzt wie ein Teil der stolzen Giebelhäuser, in den einst prachtvollen Banater Dörfern. Diese klaffende Wunde ist nicht mehr zu heilen. Könnten unsere Vorfahren, die fern von Karlsruhe, in den vier Joch auf dem Neugässer und Sauerländer Friedhof begraben liegen, zurückschauen, sie würden die Welt nicht verstehen. Den hier bestatteten aber bliebe das jedenfalls erspart. Denn sie haben selbst erfahren, was uns der Lauf der Geschichte alles beschert hat. Sie können hier in Frieden ruhen.
Aber ich bin mir sicher, sie würden das unterschreiben, was Hans Kehrer in ein paar schwäbische Verse gefasst hat:
Mer hann all e Zaiche
em Gsicht, of der Stier, in de Aue!
Mer kennt ons von weidm.
Mer senn gebrennt,
un gephännt
un verschennt.
Mer Schwowe!
Gebrennt vom Kriech,
vom Lager, von Flucht on von Not.
Gebrennt von Braun on Rot,
von Scham on Tod!
Mer senn gephännt:
Et Feld es verlor,
et Vich ausm Tor:
on tot senn die Pheer,
de Tenn es leer.
Noh allm hann se gegriff,
gement, das macht reich.
Nor net nohm Fleiß -
de macht äm so mied - on so heiß!
Noh allem hann se gschrie
„im Namen des Volkes" -
on senn arm, wie noch nie!
Mer senn verschennt,
mer Schwowe:
von Rechts on von Lenks.
Weil mer en khä Schublad net passe!
Dem Rechtse zu lenks,
dem Lenkse zu rechts!
En der Freiheit
Solle mer net senn,
was mer senn!
Rechts war de Tod
on lenks war die Not!
Macht eich khä Sorche om ons!
Meer fenne de Weech!
On senn, was mer senn!
Hinner ons die Frem;
En Deitschland derhem!
Das Gedicht habe ich in den Billeder Dialekt übertragen.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Bericht in der BNN (Badische Neueste Nachrichten) vom 21.05.2013
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