In Frankfurt (Oder) auf den Spuren der Heimkehrer
Die Deportation der Deutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion vor 70 Jahren
Im Jahre 2015 erinnern uns viele Veranstaltungen an die Deportation der Deutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion vor 70 Jahren, im Januar 1945.
Wir gehen bei den Banater von 35.000-38.000 verschleppten Frauen und Männer aus, die in der südöstlichen Ukraine, im Donezgebiet, aber auch jenseits des Ural bis zum Kaukasus und bis zum nördlichen Eismeer in Kohlengruben, in der Schwerindustrie, auf Baustellen und auch beim Holzschlag schwerste Zwangsarbeit leisten mussten.
Akkordarbeit bei absolut unzureichender Ernährung mit stets bitterem Hunger bei sibirischer Kälte und Misshandlungen, geplagt von Läusen und Wanzen, bedrückt von Heimweh, erkrankten die Deportierten körperlich und seelisch.
Sie starben in großer Zahl, besonders in den ersten zwei Jahren der Deportation. Viele haben ihren Leidensweg niedergeschrieben oder mündlich darüber berichtet.
Frau Anna Herrmann musste in einer Kohlengrube in Donez in einem Schacht von nur 70 cm Höhe gebückt und kriechend Normarbeit leisten.
Unmenschlich war die Reduzierung der Brotration bei Nichterfüllung der vorgegebenen Leistung.
Mit nassen Kleidern, die im Winter am Leib anfroren, war sie nach Schichtschluss noch 3 km bis zum Lager zu Fuß unterwegs.
Frau Herrmann meinte, ihre Worte würden nicht ausreichen um das zu beschreiben, was sie durchstehen musste.
Da die Schwerkranken keine Arbeitsleistung mehr schafften, empfahl Berija, Kommissar für innere Angelegenheiten, Stalin, die Unbrauchbaren, die nur Kosten verursachten, zu entlassen. Stalin stimmte zu und so wurden ab Herbst 1945 Eisenbahntransporte mit Invaliden und Schwerstkranken zusammengestellt und in die Heimat befördert.
Die Rumäniendeutsche kamen, sofern sie die Reise überlebten, über Marmarosch Sighet und über Jasi in die Heimat. Doch Rumänien sperrte ab 1946 die Heimkehr seiner Staatsbürger deutscher Nationalität, ihre Rückführung wurde durch den damaligen Innenmister Teohari Georgescu-Deutelbaum gestoppt.
Die entlassenen Deportierten aus Rumänien wurden nach Deutschland, in die Sowjetzone, abgeschoben. Hier war Frankfurt an der Oder der große Dreh- und Angelpunkt für die Deportation in die Sowjetunion und für die Heimkehrer aus der Sowjetunion, ein gigantischer Umschlagplatz für über 1,6 Millionen Menschen, das Tor zur Freiheit für Hundertausende aber auch Endtor ihres Lebens für viele Tausende.
Gedenkreise nach Frankfurt (Oder)
Um diesen vielen Toten, darunter mehrere Hundert Banater, an ihren Gräbern zu gedenken, hat das Hilfswerk der Banater Schwaben am 11. und 12. April eine Gedenkreise nach Frankfurt (Oder) organisiert.
Die Gruppe von 20 Teilnehmern hatte auf der Hinreise noch Dresden mit seinen baulichen und künstlerischen Sehenswürdigkeiten besichtigt.
Durch den Spreewald ging's danach weiter an die Oder nach Frankfurt. Dort gab es am zweiten Tag zunächst eine Stadtrundfahrt unter ausgezeichneter Führung, bevor sich die Gruppe auf die Spuren der Heimkehrer begab.
Zunächst wurde die Verladerampe besichtigt. Die kranken und elendig aussehenden Heimkehrer wurden nicht am Stadtbahnhof entladen, für sie hatte man außerhalb der Stadt Entladerampen gebaut, von wo aus sie nach einem Fußmarsch von ca. 3 km die erste Aufnahmestelle, das NKWD Lager 69 in der Hornkaserne, erreichten. Dies war der zentrale Brückenkopf der Sowjets.
Das Lager wurde von den Sowjets streng bewacht, es war mit hohem Stacheldraht umgeben.
Hier wurden die Heimkehrer entlaust und geduscht, Schwerkranke kamen in Krankenhäuser der Umgebung.
Auf der Reise oder auch im Lager Verstorbene wurden auf dem Nuhnenfeld hinter dem Lager beerdigt, manche auch auf dem Hauptfriedhof der Stadt.
Die Heimkehrer wurden registriert, geprüft und erhielten ihre "SPRAVKA", ihren Entlassungsschein. Manche, z. B. ehemalige SS Angehörige, wurden zurück nach Russland geschickt.
Aus der Hornkaserne kamen die Heimkehrer nach einigen Tagen in das 6 km entfernte Heimkehrerlager Gronenfelde, das unter deutsche Verwaltung stand.
Ausstellung in der Hornkaserne
In der Hornkaserne, heute Polizeipräsidium, haben beherzte Menschen eine Dauerausstellung eingerichtet, die den Weg der Heimkehrer dokumentiert.
Ausgestellt sind viele Fotos, Texte, Landkarten und Gegenstände wie „Bufaika“, aus Konservendosen oder Blechstücken gefertigtes Essbesteck u.a.
Beeindruckend ist der kleine Holzkoffer der 16jährigen Eva-Maria Stege, mit einem spartanischen Inventar und einem Papierblatt worauf steht „skoro domoi“. Eva-Marias Hoffnung erfüllte sich nicht, sie kam nicht mehr nach Hause, sie ist im Lager gestorben.
Im Lager Gronenfelde wurden die Heimkehrer erneut registriert. Die in Westzonen beheimatete wurden über die Zonengrenze Richtung Friedland entlassen und die aus den Ländern der Sowjetzone wurden in Ihre Heimat entlassen.
Die Heimatlosen, Internierte, Vertriebene, Flüchtlinge kamen in eines der über 50 Lagern in der Sowjetzone.
An das Lager Gronenfelde erinnert ein Denkmal auf dem einstigen Lagergelände.
Von den 20 Baracken, die dort standen, ist nichts mehr zu sehen. Auch die anderen Lager um Frankfurt sind verschwunden, die um die Lager entstandenen Friedhöfe wurden aufgehoben. Die dort Beerdigten wurden zwischen 1958 und 1975 exhumiert und in dem großen Gemeinschaftsgrab auf dem Hauptfriedhof beigesetzt. So führte der Weg der Besuchergruppe zuletzt zum Friedhof.
Literatur: Gefangene und Heimkehrer in Frankfurt (Oder)
Gedenken auf dem städtischen Hauptfriedhof
Über 12.000 gestorbene Heimkehrer sind auf dem städtischen Hauptfriedhof Frankfurts in mehreren Gemeinschaftsgräbern und viele Urnen in Einzelgräbern beigesetzt. Die größte Grabstelle mit 7610 Grablegungen befindet sich auf und um einen Hügel, auf dem eine Stele an die Toten der beiden Weltkriege erinnert. Vor diesem Denkmal hat haben wir uns zu einer kurzen Gedenkfeier versammelt.
Es kann davon ausgegangen werden, das rund 10.000 der Unseren über Frankfurt aus der Deportation entlassen wurden.
Wie viele dort gestorben sind weiß man nicht genau, es sind jedoch mehrere Hundert.
Ottmar Strasser fragt in einem Gedicht „Wo ruhen sie denn, die in den Lagern starben?
Sie sind verscharrt bei Stalino, Jenakievo, Slaviansk und vielen anderen Orten in Russland, sie liegen bei Jasi, auf dem Armen Friedhof bei Marmorasch Sighet und Hunderte auch in Frankfurt unter dem großen Hügel.
Ihnen und allen durch die Deportation in die Sowjetunion zu Tode Gekommenen gedachten wir durch eine Kranzniederlegung stellvertretend für die Banater Schwaben und die Siebenbürger Sachsen.
Der Heimatdichter Josef Gabriel der Jüngere
Unter dem großen Grabhügel ist auch unser Heimatdichter Josef Gabriel der Jüngere beigesetzt. Er ist am 15. Januar 1947 auf der Heimreise in Frankfurt (Oder) gestorben.
Zunächst auf dem Nuhnenfriedhof beigesetz wurde er später in das große Gemeinschaftsgrab verlegt.
Über ihn, sein Schicksaal und sein Werk sprach Nikolaus Rennon. Auch Rennon erinnerte, dass sein Vater durch das Lager Gronenfelde in die Freiheit kam.
Zum Abschluss der Feierstunde trug Brigitte Rennon zwei Gedichte von Josef Gabriel d.J. vor und legte ein Blumengebinde auf seine Grabstelle.
In seiner „Banater Elegie“ scheint es, als hätte der Dichter geahnt was über uns noch kommen wird.
Banater Elegie
So tiefe Sehnsucht lebt in uns. Wir schauen oft
Zur Straße hin, die gegen Westen führt.
Der Ahnherr hat einst sehr dem Osten zugehofft,
Nun hat ein Heimweh uns mit heißer Hand berührt.
Dort, wo das Mutterhaus, ist eigener der Raum
Umschirmter Stadt und Dorf und Berg und Land und Strom
Dort wird zur Tat, was uns nur Sehnsucht bleibt und Traum.
An unseren Gliedern ist das Mal von manchem harten Jahr.
Argwöhnisch misst der Fremde unseres Geistes Tritt.
Erfreut uns auch die Helle unsres Pfluges Schar,
wann glückt unsrer Sense je ein großer Schnitt?
Und Schätze liegen brach dem Spaten zugelost,
doch ihm, der tiefer ginge, droht der Fremde Fron.
Und unsre Gärten wachsen wild. Kalt weht der Ost.
Es kerbt in uns das Gleichnis vom verlorenen Sohn.
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